Ich möchte hier kurz meine Erfahrungen schildern und “Danke” sagen als jemand, der an Entwicklung von FOSS und offenen Standards in einem anderen Bereich (Bibliothekarische Metadaten) mitwirkt.
Ich wohne mit meiner Familie in einem Reihenmittelhaus und bin vor weniger als zwei Wochen ziemlich naiv in das Projekt “Eigene PV-Anlage” eingestiegen (weshalb ich bestimmt auch manche Dinge stark vereinfacht oder gar falsch darstellen werde, ich freue mich aber über entsprechende Rückmeldungen).
Ich hatte zwei längere Gespräche mit Vertretern zweier großer Anbieter von Energielösungen und habe einige Zeit im Internet recherchiert. Dabei wurde mir schnell klar, dass die Software eine zentrale und wichtige Rolle bei dem System spielt, zumindest wenn – wie es wwahrscheinlich heutzutage einfach gang und gäbe und sinnvoll ist – ein Speicher verbaut und der dynamsiche Strompreis genutzut wird. In diesem Fall müssen ja Akkustand, aktueller Ertrag der Solaranlage, aktueller Stromverbrauch, erwarteter Verbrauch, aktueller und zukünftiger Börsenstrompreis, Wetteraussichten usw. ausgelesen oder ausgewertet und in Beziehung gesetzt werden, um die Be- und Entladung der Batterie zu steuern.
Unter diesen Bedingungen möchte ich ungern oder nur, wenn es nicht anders geht, ein System kaufen, das mit einer Software läuft, die lediglich von einem bestimmten Anbieter entwickelt und als Teil der kommerziellen Produktpalette angeboten wird. Stattdessen sollte die Energiemanagement-Software folgende Eigenschaften haben:
- Es sollte Freie oder Offene Software (FOSS) sein.
- Die Software sollte in dem entsprechenden Steuerungsmodul (Wie nennt sich das denn?) der Anlage laufen und sich Updates und Sicherheitspatches automatisch (oder ggf. auch manuell getriggert) von einem durch den Anbieter bereitgestellten Server herunterladen. (Ich könnte theoretisch auch versuchen, es selber auf einem Rechner im Keller betreiben, den ich ohnehin rund um die Uhr am Laufen habe und wo ich bereits andere Dinge betreibe. Ich möchte mich da aber einfach nicht auch noch drum kümmern müssen und will, dass es möglichst einfach ohne Interventionen meinerseits läuft.)
Erst diesen Sonntagmorgen bin ich auf OpenEMS gestoßen. Es scheint mir eine sehr gute Lösung zu sein, die eine Menge Anforderungen erfüllt, einige wichtige aber auch eine Menge “nice to haves”:
- Freie Software mit einer meiner präferierten Lizenzen (AGPL). Der gesamte Softwarecode auf GitHub (auch wenn mir seit einiger Zeit Codeberg o.ä. lieber wär, aber ich weiß, dass ein Umstieg nicht mal so eben zu wuppen ist).
- Es handelt sich um eine reife Software: 2013 begann laut Fenecon-Webseite die Entwicklung an FEMS und 2016 wurde auf dieser Basis OpenEMS als offener Quellcode zur Verfügung gestellt.
- OpenEMS wird aktiv von einer größeren Gruppen beitragender Personen gepflegt. (Häufig hat FOSS, selbst wenn sie in tausenden Produkten verbaut ist, nur einen Maintainer, d.h. eine Person, die sich um das Einspielen Sicherheitsupdates etc. kümmert.)
- Die Softwaredokumentation macht einen sehr guten Eindruck und lädt zur Verbesserung aus der Community ein, was leider alles andere als selbstverständlich ist: Introduction :: Open Energy Management System
- Es gibt sogar einen eingetragenen Verein hinter der Software mit einigen, meist institutionellen Mitgliedern (Neben Fenecon, die das Projekt gestartet haben, ist z.B. auch das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) Vereinsmitglied.)
- Es gibt dieses offene Online-Forum für Nutzer:innen und Entwickler:innen der Software. (Auf Basis von Discourse, das ich – als Co-Admin zweier Discourse-Foren – sehr zu schätzen gelernt habe.)
- Die Menschen, der Umgang und Ton, die Diskussionen und was ich bisher gelesen habe, machen bisher einen sehr guten Eindruck auf mich. Das sieht mir bisher nach einem Softwareprojekt und einer Community aus, die zur Teilnahme einlädt (weshalb ich dann wohl auch diesen langen Beitrag tippe).
- Es gibt weitere Pluspunkte, die ich aufgrund mangelnder Erfahrung nicht so gut einordnen kann, z.B. die Nutzung der Software im Forschungskontext ( Research – OpenEMS ) und den OpenEMS Marketplace ( OpenEMS Marketplace – OpenEMS ).
Ich hatte diesen Text übrigens als eine E-Mail an einen der beiden erwähnten Vertreter angefangen, um meine Entscheidung gegen sein Angebot transparent zu machen (und ggf. das Bewusstsein für die Vorteile von FOSS bei anderen Akteueren auf dem PV-Markt zu fördern), jetzt wird diese Mail nicht viel mehr als einen Link auf diesen Beitrag enthalten. Wie auch immer, die beiden Anbieter stehen jedenfalls nicht auf der Mitlgiederliste des Vereins und bieten – wenn ich das richtig sehe – stattdessen eine eigene Software an. Diese Software wird selbst zum Großteil auf FOSS-Komponenten basieren[1], über die das entsprechende Entwicklungsteam eine Schicht eigenen, nicht-offenen Codes legt, um es als Teil der Produktpalette des jeweiligen Unternehmens (und natürlich dem KI-Bubble-Zeitgeist gemäß als “KI-enhanced” o.ä.) feilbieten zu können.
Eine solche Praxis möchte ich zum einen mit meinem Geld nicht fördern und zum anderen sehe ich Risiken, was die Nachhaltigkeit – wenn der Anbieter insolvent werden sollte – und auch die Qualität der Software angeht.
Stichwort Qualität: In der Studie “Stromspeicher-Inspektion 2025” der Forschungsgruppe Solarspeichersysteme scheint die Software ja sehr gut wegzukommen, siehe etwa diese Graphik (viel mehr als die Bilder konnte ich mir bisher nicht anschauen):
…und im Januar ist ja offenbar die “Einbindung von Online-Wetterprognosen für den Standort” noch in OpenEMS integriert worden ([Edge] Open-Meteo Weather-API provider by Bhanu-CM · Pull Request #2973 · OpenEMS/openems · GitHub), so dass die Grafik mittlerweile ein weiteres Häkchen bei FEMS aufweisen würde.
Mit meinem neu erlangten (Halb)WIssen, habe ich nun vor, mich nach einem Solarteur umzuschauen, der Speicher, Wechselrichter/Steuerungsmodul verbaut, die auf Basis von OpenEMS betrieben werden können. Mit Fenecon-Bauteilen geht das auf jeden Fall, die haben die Software ursprünglich entwickelt und bezahlen – wenn ich das richtig sehe – bis heute @stefan.feilmeier als Hauptentwickler, außerdem macht das Unternehmen auf den ersten Blick einen sehr guten Eindruck. Ich gehe aber davon, dass ggf. auch andere Anbieter mit anderen Bauteilen OpenEMS out-of-the-box anbieten. Über Hinweise und/oder Links, die zur Auswahl von Bauteilen und eines Solarteurs (ich wohne in Köln) beitragen, würde ich mich freuen.
Jedenfalls gilt: Wer Interesse hat, mich und andere Menschen, die auf Offenheit Wert legen, als Kunden für ihre Energielösungen gewinnen möchte, sollte es Mitglied in der OpenEMS Association e.V. werden und vor allem auch aktiv zur Entwicklung der Software beitragen (was die OpenEMS-Lizenz AGPL sogar einfordern würde, denn sie verlangt, dass alle Änderungen und Ergänzungen am Code, die jemand auch nur auf einem Server betreibt unter derselben Lizenz veröffentlicht werden müssen).
Ich bin sehr froh, dass es OpenEMS samt Verein und Community gibt und dass ich es entdeckt habe. Danke an alle Beteiligten! So ergibt der Energieumstieg doppelt Sinn und macht noch mehr Spaß.
Wie fast jede Software heutzutage. Daniel Sternberg hat diesen und andere Punkte vor Kurzem großartig in einer 13-Minuten-Keynote zusammengefasst. ↩︎
